Solidarität mit der Letzten Generation

Ich werde mich am Montag, dem 12. Juni 2023 beim Straßenprotest der Letzten Generation solidarisch zeigen. Ich werde dabei nicht den Verkehr blockieren oder mich festkleben, stattdessen werde ich Kaffee und Kipferl bringen. Was mich dazu bewegt, werde ich in diesem Artikel genauer erläutern.

Kurze Erinnerung: Die Klimakrise zerstört unsere Lebensgrundlagen und ist höchst ungerecht. Sie tötet schon heute Menschen. Das Zeitfenster, in dem wir die große Katastrophe noch verhindern können, schließt sich rapide. [1]

Fangen wir also mit den Forderungen der Letzten Generation an.

Diese sind Tempo 100 und keine neuen Bohrungen, seit ein paar Wochen werden sie noch durch die Umsetzung der Maßnahmen des Klimarates ergänzt. [2] Das Stichwort Tempo 100 steht für eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 100 km/h auf Autobahnen und basiert auf einem offenen Brief von Verkehrsexpert*innen, die gute wissenschaftliche Gründe für die Limits von 30 km/h im Ortsgebiet, 80 km/h auf Freilandstraßen und 100 km/h auf Autobahnen sehen. Bei gleicher Verkehrsleistung würde diese Maßnahme 900.000 Tonnen CO2 pro Jahr einsparen. [3] Die zweite Forderung zielt auf ein Verbot von neuen Öl- und Gasbohrungen ab. Ich war überrascht, als ich erfuhr, dass in Österreich überhaupt Öl und Gas gefördert werden, und entsetzt darüber, dass sogar neue Projekte vorangetrieben werden. Diese Projekte müssen gestoppt werden, nicht zuletzt, weil sie weder mit dem Pariser Klimaabkommen noch mit den Klimazielen der EU vereinbar sind. [4]

Im Klimarat haben sich 100 ausgeloste Bürger*innen aus allen Gesellschaftsschichten mit Wissenschaft und Interessenverbänden beraten. Der Endbericht wurde im Juni 2022 veröffentlicht und enthält 93 sinnvolle und sozial verträgliche Maßnahmen, mit denen Österreich bis 2040 klimaneutral werden kann. Bisher wurde keine Einzige dieser Maßnahmen umgesetzt. [5]

Ich finde die Wahl der Maßnahmen klug, da sie so einfach umzusetzen sind und somit die Untätigkeit unserer Regierung aufzeigen.

 

Kommen wir nun zu den Methoden.

Die bekannten Protestmethoden sind eine Glasscheibe vor einem Kunstwerk zu beschmieren, Verkehrsfluss zu unterbrechen, indem man sich auf die Straße klebt, und Protestmärsche im Schneckentempo auf befahrenen Straßen. Aus Interesse habe ich bei einem Aktionstraining mitgemacht. Jede*r Aktivist*in muss so ein Training absolvieren, um an den Protesten teilnehmen zu dürfen. Dabei wird ihnen beigebracht, immer freundlich zu bleiben, auch wenn sie angeschrien und beschimpft werden, sich niemals zu wehren, auch nicht, wenn sie geschlagen werden. Ich habe großen Respekt vor der Disziplin der Aktivist*innen. Sie bleiben immer gewaltfrei, obwohl sie getreten, von Autos angefahren und mit Flüssigkeiten überschüttet werden.

An den Straßenblockaden wird oft kritisiert, Rettungsfahrzeuge würden blockiert und somit Menschenleben gefährdet. Dass die Rettung vor den Protesten immer informiert wird und immer eine kleberfreie Rettungsgasse freigehalten wird, entkräftet dieses Argument. Sogar der Bundesrettungskommandant Gerry Foitik bittet darum, medizinische Notfälle nicht weiter für die Kriminalisierung jener, die für einen starken Klimaschutz einstehen, zu instrumentalisieren. [6]

Oft werden die Aktivist*innen als Verbrecher bezeichnet. In Wirklichkeit begehen sie aber nur Ordnungswidrigkeiten, das heißt, ihr „Verbrechen“ ist rechtlich gleich schlimm wie Falschparken, mit überhöhter Geschwindigkeit autofahren oder bei Rot über eine Ampel zu gehen. Das sind höchstens Verwaltungsübertreter*innen.

Es stimmt jedoch, dass die Proteste stören. Und es stimmt auch, dass es oft die Falschen trifft. Die Aktivist*innen sind sich bewusst, und haben auch keine Freude daran, dass viele der Menschen, die sie in ihrem Alltag stören, auf ihr Auto angewiesen sind. Es ist richtig, dass die wahren Verbrecher*innen in Vorständen fossiler Konzerne und in der Politik sitzen. Jedoch wissen wir aus der Vergangenheit, dass störender Protest wirkt.

Um 1955 begannen zum Beispiel schwarze Menschen in Montgomery, Busse zu boykottieren nachdem sich eine gewisse Rosa Parks weigerte, ihren Sitzplatz freizumachen und darauf eingesperrt wurde. Das war der Auslöser der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, die mit zivilem Ungehorsam und Massenmobilisierung gegen eine Ungerechtigkeit, die Rassentrennung protestierte. Ihre Methoden reichten von Sit-Ins über Straßenblockaden und Märschen, die von der Zivilbevölkerung als störend empfunden wurden, aber immer friedlich waren. 85% der amerikanischen Bevölkerung war damals der Meinung, die Proteste würden der schwarzen Bevölkerung mehr schaden, als sie nützten. Die Protagonist*innen der Bewegung, wie Rosa Parks und Martin Luther King, wurden als Verbrecher bezeichnet, regelmäßig verhaftet und vom FBI verfolgt. [7] Heute sind sie die großen Held*innen.

Oder die Suffragetten, die in Großbritannien Anfang des 20. Jahrhunderts das Frauenwahlrecht durchsetzen konnten, indem sie zivilen Ungehorsam betrieben. Auch sie wurden kriminalisiert und gehasst. Die Geschichte gab auch ihnen Recht. 

Angesichts der Dringlichkeit und Ungerechtigkeit der Klimakrise und der potenziellen Wirkmacht friedlichen zivilen Ungehorsams finde ich die Methoden der Letzten Generation legitim. Die nächste Dürre stört mehr als ein Stau im Frühverkehr.

Ich denke nicht, dass härtere Strafen solche Proteste verhindern können. Diese Menschen haben realisiert, welche Katastrophe da auf uns zukommt und dass Schweigen einer Unterstützung der weiteren Zerstörung gleichkommt. Viele von ihnen leben heute lieber im Gefängnis als etwas später in einer Hungersnot. Härtere Strafen könnten die Bewegung sogar verstärken, weil sich immer mehr Menschen anschließen werden, je größer die Ungerechtigkeit wird.

 

Die gute Nachricht: Die Proteste können sehr schnell beendet werden, indem die geforderten Maßnahmen umgesetzt werden. Maßnahmen, die wir sowieso dringend brauchen. Wer also wirklich daran interessiert ist, diesen störenden Protesten ein Ende zu setzen, solidarisiert sich mit ihnen. Noch effizienter wäre, sich ihnen anzuschließen.

Die Geschichte wird ihnen Recht geben.

 

 Wer das auch so sieht, kann gerne diese Petition unterschreiben.

 

 

 

Quellen:

[1] https://www.ipcc.ch/report/sixth-assessment-report-cycle/

[2] https://letztegeneration.at/forderungen

[3] https://www.tempolimit-jetzt.at

[4] https://www.iea.org/reports/net-zero-by-2050

[5] https://klimarat.org/wp-content/uploads/Klimarat-Endbericht-WEB.pdf

[6] https://twitter.com/GFoi/status/1613555926111338497?ref_src=twsrc%5Etfw%7Ctwcamp%5Etweetembed%7Ctwterm%5E1613555926111338497%7Ctwgr%5E6829fc140da2c48ddd3c91268a6138a345f27b2e%7Ctwcon%5Es1_&ref_url=https%3A%2F%2Fwww.derstandard.at%2Fstory%2F2000142544285%2Feine-woche-klimaprotest-10-000-euro-spenden-51-festnahmen-und

[7] https://twitter.com/ReiSteurer/status/1604513472779554817

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