Emissionen und Offsets

Wie bereits letzte Saison habe ich auch heuer wieder meine Reisestrecken, die ich für den Sport zurückgelegt habe, dokumentiert und die Emissionen daraus ungefähr berechnet.

Insgesamt komme ich auf über 12 Tonnen CO2-Äquivalente.

Letze Saison, in der ich nur Europacup-Rennen fuhr, waren es 1,5 Tonnen. Die große Steigerung kommt von zwei Interkontinentalreisen. Allein die Flüge zum Trainingscamp nach Chile im August und zu den Rennen nach Nordamerika im November verursachten 11 Tonnen CO2e. Hätte ich mich nicht im Jänner verletzt, wäre ich sogar nochmal zu den Weltcup-Rennen nach Aspen geflogen, was einen weiteren Ausstoß von 5 Tonnen CO2e bedeutet hätte.

Zur Erinnerung: Der Richtwert, der vom IPCC zur Einhaltung der 2-Grad-Ziels definiert wurde, liegt bei 2 Tonnen pro Kopf und Jahr.

Für die Nutzung eines Elektroautos habe ich letzte Saison 150 kg CO2e eingerechnet. Die fallen heuer weg, da ich diese Saison kein eigenes Auto hatte. Damit habe ich die These, als Skifahrer bräuchte man unbedingt ein Auto und dass es ohne unmöglich ginge, die mir schon öfters sehr überzeugt vorgetragen wurde, widerlegt.

Letztes Jahr habe ich meine Emissionen kompensiert. Beim selben Anbieter würde die Kompensation dieser 12 Tonnen ca. € 280 kosten. Bei einem CO2-Preis von € 180, den ich auch schon vor einem Jahr forderte, würden meine heurigen Emissionen über € 2.000 ausmachen.

Damals war ich der Meinung, der Grundsatz „vermeiden, reduzieren, kompensieren“ wäre zielführend. Nun habe ich aber gemerkt, dass das Kompensieren, das in diesem Grundsatz immer als letztes Mittel gemeint war, von vielen Akteuren zum Greenwashing missbraucht wird. Es ermöglicht Unternehmen, sich klimaneutral zu nennen, nur weil sie in Besitz von Kompensationszertifikaten sind, die in Wirklichkeit nichts bringen. Ein Guardian-Artikel und diese überaus spannende Die Zeit Geschichte haben uns nämlich diesen Jänner aufgeklärt, dass 90 % der CO2-Zerfifikate des weltweit größten Anbieters wertlos sind. Der größte Teil dieser Zertifikate sind Regenwaldprojekte, so wie jenes der FIS, das ich auch in meinem offenen Brief kritisiere. Dabei wird angenommen, dass man den Ausstoß von Treibhausgasen ausgleichen kann, indem man dafür sorgt, dass Regenwald stehen bleibt. Nach diesem Prinzip muss man eigentlich nur Regenwald besitzen, um wo anders so viel CO2 ausstoßen zu dürfen, wie man beim Abfackeln dieses Waldes ausstoßen würde, um sich klimaneutral nennen zu dürfen. Diese Formulierung ist zwar vereinfacht und überspitzt, weil es schon Kriterien von der UNFCCC gibt, wie solche Projekte zu bewerten sind, offensichtlich werden sie aber nicht wirklich ernst genommen.

Außerdem gibt es noch ein weiteres Problem an diesem Zertifikatenmarkt. Es ist nämlich so, dass sowohl jene Akteure, die Offsetting-Projekte durchführen, als auch ihre Zertifizierer private Unternehmen sind und mit anderen im Wettbewerb stehen. Billige und einfach zu erwerbende Zertifikate sind dabei ein großer Wettbewerbsvorteil. Unternehmen mit einer möglichst wirtschaftlichen Klimaneutralitätsstrategie suchen sich also den Anbieter aus,der am wenigsten für die Tonne CO2e verlangt und um diesen Preis anbieten zu können, müssen diese Anbieter einen Zertifizierer finden, der ein paar Augen zudrückt. Die schleissigsten Zertifizierer finden wiederum am meisten Kunden und die Nutzlosigkeitsspirale ist perfekt.

Es gibt auch andere Methoden, CO2 auszugleichen, etwa Aufforstung, die Wiederbefeuchtung von Mooren oder der Bau von Solaranlagen und effizienten Holzöfen in Gebieten einer geringeren Entwicklungsstufe. Meistens werden dabei Emissionen wenigstens wirklich vermieden, damit sie woanders wieder ausgestoßen werden können. Im besten Fall wird dabei sogar Kohlenstoff aus der Atmosphäre entnommen und für ein paar Jahrzehnte gebunden, etwa von Bäumen. Jedoch steht nichts davon in Relation mitdem Schaden, der angerichtet wird, indem über Jahrmillionen gebundener Kohlenstoff in Form von Öl, Kohle und Erdgas aus der Erde geholt und in die Atmosphäre gepumpt wird. Dieser Kohlenstoff befindet sich dann nämlich wieder für Millionen von Jahren in einem Kreislauf an der Erdoberfläche, wo er die Atmosphäre erhitzt und unsere Lebensgrundlagen zerstört.

Aus diesen Gründen ist es an der Zeit, den oben genannten Grundsatz zu überdenken. Wollen wir unseren Treibhausgasausstoß radikal verkleinern, was zwingend nötig ist für eine lebenswerte Zukunft, dann müssen wir uns unbedingt stärker darauf konzentrieren, Emissionen zu vermeiden und zu reduzieren. Die davon ablenkende Möglichkeit der Kompensation darf nicht mehr bestehen. Stattdessen müssen wir viel stärker kontrollieren, ob Emissionenwirklich schrumpfen, wofür es Transparenz braucht. Der neue Grundsatz lautet also „vermeiden, reduzieren, veröffentlichen.“ Wer zusätzlich noch löblicher Weise Regenwald schützen möchte, der kann dies natürlich gern tun, aber immer nur als Spende, nicht als Maßnahme, um klimaneutral zu werden.

Da ich diesen neuen Grundsatz auch befolgen will, kompensiere ich meine Emissionen für diese Saison nicht.

Im offenen Brief an die FIS, den ich diesen Jänner schrieb, wird unter anderem ein Bekenntnis zu Netto-Null bis 2035 gefordert. Da die Definition des Begriffs Netto-Null Offsetting erlaubt, würde ich heute stattdessen Real-Null bis 2040 fordern. Außerdem wird im Anhang empfohlen, Emissionen, die nicht vermeidbar sind, zu kompensieren. Auch das würde ich mit dem heutigen Wissensstand nicht mehr so schreiben. Große Änderungen am Brief wären Aufgrund dieses Umdenkens jedoch nicht nötig, da eine der Hauptforderungen eh volle Transparenz ist.

Durch meine seit letztem Jahr nicht perfekt, aber doch befolgte Transparenz lässt sich beobachten, dass meine Emissionen radikalgestiegen sind, ziemlich genau um das Achtfache. Grund dafür ist mein erfolgreicher Aufstieg in die höchste Stufe meiner Sportart, den Weltcup. In den Bereichen, die ganz meinen eigenen Entscheidungen unterstehen, habe ich versucht, Emissionen zu reduzieren, zum Beispiel mit dem Verzicht auf ein Auto oder der Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln. Außerdem habe ich unter Anderem weiterhin versucht, mich so vegan als möglich zu ernähren, oder meinen Verbrauch an Skiausrüstung zu reduzieren, Maßnahmen, die in meinen Emissionsaufzeichnung leider nicht aufscheinen. Diese Bereiche sind gemessen am Anteil meines Fußabdruckes aber leider unbedeutend.

Den bedeutendsten Teil meiner Emissionen habe ich nicht in der Hand, nämlich die Flugreisen, die vom Rennkalender der FIS abhängen. Dennoch sehe ich meine Aufgabe, diese zu reduzieren, als erfüllt an, da ich mit meinem Engagement, genauer gesagt einem offenen Brief, alles in meiner Macht stehende getan habe, um Druck auf jene Entscheidungsträger*innen aufzubauen, die diese Emissionen reduzieren können.

Stellt sich dieses Engagement in den nächsten Jahren alswirkungslos heraus, so werde ich die wirklich letzte in meiner Macht stehende Maßnahme ergreifen und meine Karriere beenden.

Die meisten dieser Gedanken habe ich mir nicht selbst einfallen lassen, sondern aus Artikeln sehr kluger Journalist*innen und Gesprächen mit sehr klugen Aktivisti mitgenommen. Ich bin sehr dankbar für die vielen interessanten Menschen, die ich in letzter Zeit kennen lernen durfte und die lehrreichen Gespräche, die ich mit ihnen führen durfte.

Emissionsaufzeichnungen

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